Barrierefreiheitsstärkungsgesetz: Pflicht ab 2025
Warum ist das BFSG für viele Unternehmen relevant?
Das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSG) betrifft vor allem Unternehmen, die digitale Produkte und Dienstleistungen im Business-to-Consumer (B2C)-Bereich anbieten. Dazu gehören gemäß § 1 BFSG unter anderem:
- Websites und mobile Anwendungen,
- E-Commerce-Plattformen,
- digitale Dienstleistungen, wie Online-Banking oder Ticketbuchungen.
Betroffene Unternehmen müssen sicherstellen, dass ihre digitalen Angebote den internationalen Barrierefreiheitsstandards entsprechen, wie den Web Content Accessibility Guidelines (WCAG 2.1), Stufe A und AA. Für Unternehmen bedeutet dies nicht nur eine gesetzliche Verpflichtung, sondern auch die Chance, eine breitere Zielgruppe anzusprechen und die Benutzerfreundlichkeit zu verbessern.
Dein Unternehmen ist betroffen?
Wichtige Fristen: Ab wann gelten die Anforderungen?
Die Vorgaben des Barrierefreiheitsstärkungsgesetzes treten ab dem 28. Juni 2025 in Kraft. Ab diesem Datum müssen alle betroffenen Unternehmen ihre digitalen Angebote barrierefrei gestaltet haben.
Unternehmen sollten frühzeitig handeln, um den gesetzlichen Anforderungen fristgerecht nachzukommen. Wer zu spät startet, riskiert nicht nur rechtliche Konsequenzen, sondern auch einen Wettbewerbsnachteil. Die Umsetzung von Barrierefreiheit erfordert Zeit, sorgfältige Planung und gegebenenfalls technische Anpassungen.
Ausnahmen für kleine Unternehmen
Sogenannte Kleinstunternehmen (§ 2 Abs. 17 BFSG) sind von der Umsetzungspflicht ausgenommen, sofern sie:
- weniger als 10 Mitarbeitende beschäftigen und
- einen Jahresumsatz von höchstens 2 Millionen Euro erzielen.
Diese Ausnahme stellt sicher, dass kleinere Betriebe nicht unverhältnismäßig belastet werden. Dennoch wird auch kleinen Unternehmen empfohlen, Barrierefreiheit als Qualitätsmerkmal zu betrachten, um langfristig wettbewerbsfähig zu bleiben.
Welche Konsequenzen drohen Unternehmen, die die Umsetzung des Gesetzes ignorieren?
Unternehmen, die die Anforderungen des Barrierefreiheitsstärkungsgesetzes (BFSG) nicht erfüllen, müssen mit erheblichen Konsequenzen rechnen. Die zuständigen Marktüberwachungsbehörden der Länder sind befugt, verschiedene Maßnahmen zu ergreifen, um die Einhaltung der Barrierefreiheitsstandards sicherzustellen.
Mögliche Sanktionen bei Nichteinhaltung des BFSG:
- Verwarnungen und Aufforderungen zur Nachbesserung: Bei erstmaligen Verstößen können Behörden Unternehmen verwarnen und zur Beseitigung der festgestellten Mängel auffordern (§ 29 Abs. 1 BFSG).
- Untersagung der Dienstleistung: Werden die erforderlichen Anpassungen nicht vorgenommen, kann die Behörde die Einstellung der betreffenden Dienstleistung anordnen (§ 29 Abs. 2f BFSG).
- Produktrückrufe: Im Falle von nicht konformen Produkten können Rückrufe oder Rücknahmen vom Markt veranlasst werden (§ 22 Abs. 4 BFSG).
- Bußgelder: Es können Geldbußen von bis zu 100.000 Euro verhängt werden, um die Durchsetzung der gesetzlichen Vorgaben zu gewährleisten (§ 37 BFSG).
Zusätzlich zu behördlichen Maßnahmen besteht die Möglichkeit, dass Verbraucherinnen und Verbraucher sowie anerkannte Verbände bei Verstößen die Marktüberwachungsbehörde einschalten. Dies kann zu weiteren rechtlichen Schritten führen, einschließlich Verbandsklagen oder wettbewerbsrechtlichen Abmahnungen durch Mitbewerber, die Unterlassungs- oder Schadensersatzansprüche nach sich ziehen können.
Es ist daher für Unternehmen essenziell, die Anforderungen des BFSG ernst zu nehmen und ihre digitalen Angebote rechtzeitig barrierefrei zu gestalten, um rechtliche Risiken und finanzielle Belastungen zu vermeiden.
Welche Standards müssen beim Barrierefreiheitsstärkungsgesetz erfüllt werden?
Die vier Prinzipien der WCAG 2.1
- Ausreichende Kontrastverhältnisse zwischen Text und Hintergrund,
- Alternativtexte für Bilder,
- Untertitel für Videos oder Audiobeschreibungen.
- Die Möglichkeit, alle Inhalte und Funktionen per Tastatur zu navigieren,
- Eine übersichtliche und konsistente Navigation,
- Vermeidung von Zeitdruck bei Formularen oder Interaktionen.
- Verwendung einer einfachen und klaren Sprache,
- Verständliche Fehlermeldungen und Hilfestellungen,
- Logischer Aufbau der Inhalte und einheitliche Strukturen.
Was bedeutet das BFSG für Websites und E-Commerce-Seiten im Speziellen?
Mit dem Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSG) steigen die Anforderungen an digitale Angebote deutlich. Besonders Websites und E-Commerce-Plattformen müssen so gestaltet sein, dass sie für alle Nutzergruppen zugänglich sind – unabhängig von körperlichen oder sensorischen Einschränkungen.
Für Betreiber bedeutet das: Neben einer klaren Navigation und verständlichen Inhalten sind auch technische Anpassungen notwendig, um Barrierefreiheit sicherzustellen. E-Commerce-Websites stehen zudem vor der Herausforderung, barrierefreie Bestellprozesse, zugängliche Produktinformationen und visuelle Inhalte bereitzustellen. In diesem Abschnitt erfährst du, welche Anforderungen konkret auf Websites und Online-Shops zukommen und wie du diese erfolgreich umsetzt.
Anforderungen an Websites
Barrierefreie Navigation und verständliche Inhalte:
Eine klare, intuitive Navigation und logisch strukturierte Inhalte sind notwendig, damit Nutzer schnell finden, was sie suchen. Klare Sprache erleichtert zudem den Zugang für Menschen mit kognitiven Einschränkungen.
Optimierung für Screenreader und assistive Technologien:
Semantisch korrektes HTML ist entscheidend, um Screenreadern die richtige Interpretation von Inhalten zu ermöglichen. Wichtig sind dabei Textalternativen für Bilder, korrekte Beschriftungen und die Kompatibilität mit Technologien wie Sprachsteuerungen.
Technische Anpassungen:
Barrierefreie Websites erfordern saubere Code-Strukturen mit anpassbaren Schriftgrößen, ausreichenden Farbkontrasten und skalierbaren Inhalten für unterschiedliche Bildschirmgrößen.
Tastaturbedienbarkeit
Eine Website muss vollständig über die Tastatur bedienbar sein, wie in der WCAG 2.1 Erfolgskriterium 2.1.1 auf Stufe A gefordert. Dies stellt sicher, dass alle Funktionen auch ohne Maus zugänglich sind, was für Nutzer mit motorischen Einschränkungen unverzichtbar ist. Zusätzlich darf es laut Erfolgskriterium 2.1.2 keine „Tastaturfallen“ geben: Nutzer müssen jederzeit in der Lage sein, sich frei durch die Website zu bewegen und Elemente zu verlassen. Auf Stufe AAA wird sogar verlangt, dass absolut alle Funktionen der Website ohne Einschränkungen per Tastatur erreichbar sind.
Spezielle Anforderungen für E-Commerce-Websites
Für Online-Shops gelten zusätzlich besondere Anforderungen:
Barrierefreie Bestellprozesse:
Der gesamte Bestellprozess – von der Produktauswahl bis zur Zahlungsabwicklung – muss für alle zugänglich sein, z. B.:
- Navigation per Tastatur,
- klare Fehlermeldungen und Hinweise bei Formularen.
Zugänglichkeit von Produktbeschreibungen und Formularen:
- Texte zu Produkten müssen verständlich und detailliert formuliert sein.
- Formulare benötigen klar beschriftete Felder und einfache Bedienbarkeit.
Einbindung von Alternativtexten:
Alle Produktbilder und visuellen Inhalte sollten durch aussagekräftige Alternativtexte ergänzt werden, um sehbehinderten Nutzern ein vollständiges Verständnis zu ermöglichen.
Checkliste: So setzt du die Anforderungen der Barrierefreiheit um
Die Umsetzung von Barrierefreiheit auf Websites und in digitalen Angeboten erfordert eine strukturierte Herangehensweise. Mit dieser Checkliste kannst du sicherstellen, dass du die Anforderungen des Barrierefreiheitsstärkungsgesetzes (BFSG) erfüllst und gleichzeitig die Nutzerfreundlichkeit deiner digitalen Angebote verbesserst.
1. Analyse des Ist-Zustands
- Manuelle Tests durchführen: Teste deine Website auf einfache Bedienbarkeit und Zugänglichkeit. Versuche beispielsweise, die Seite nur mit der Tastatur zu bedienen, oder lasse dir Inhalte von einem Screenreader vorlesen.
- Automatisierte Audits einsetzen: Nutze Tools wie WAVE oder axe DevTools, um technische Barrieren wie fehlende Alternativtexte, unzureichende Kontraste oder fehlerhafte HTML-Strukturen zu identifizieren. Diese Tools liefern schnelle Ergebnisse und konkrete Verbesserungsvorschläge.
2. Technische Umsetzung
- Saubere HTML-Struktur: Setze auf korrekte Semantik, wie die Verwendung von ARIA-Rollen, logischen Überschriftenhierarchien und beschrifteten Formularfeldern. Das erleichtert die Nutzung für assistive Technologien. Beispielsweise hat folgender Button das ARIA label “Anmelden”, weil es sich um einen Button zur Anmeldung im Benutzerkonto des Onlineshops handelt.
- Kontraste und Schriftgrößen optimieren: Achte darauf, dass Texte und Hintergrundfarben ausreichende Kontraste aufweisen (mindestens 4,5:1 gemäß WCAG 2.1). Zudem sollten Schriftgrößen skalierbar sein, damit auch Menschen mit Sehbehinderungen deine Inhalte problemlos lesen können. In diesem Beispiel ist der Kontrast zwischen Hintergrund und Schriftfarbe niedrig, was zu Problemen bei der Lesbarkeit der Inhalte führen kann:
3. Inhaltsgestaltung
Die Inhalte deiner Website sollten so gestaltet sein, dass sie für alle Nutzer leicht verständlich und zugänglich sind:
- Alternativtexte für Bilder, Audio und Video: Alle visuellen und audiovisuellen Inhalte sollten mit Alternativtexten oder Untertiteln versehen werden, damit Informationen auch für Nutzer mit Einschränkungen zugänglich sind.
So kann ein Bild auf einer Website mit barrierefreiem Title-Tag und Alt-Tag eingebaut werden:
Alt-Tag: „Schnee bedeckt einen Weihnachtsbaum und den Baumschmuck.“
Titel-Tag: „Schnee bedeckt einen Weihnachtsbaum und den Baumschmuck.“
- Einfache und verständliche Sprache: Vermeide komplexe Texte und Fachbegriffe oder ergänze diese mit Erläuterungen. Ziel ist es, dass möglichst viele Menschen deine Inhalte problemlos verstehen können.
4. Bedienbarkeit und Nutzerfreundlichkeit
Barrierefreie Websites sind intuitiv bedienbar und berücksichtigen verschiedene Zugangswege:
- Tastaturnavigation sicherstellen: Jede Funktion der Website sollte ohne Maus bedienbar sein. Das betrifft insbesondere Menüs, Formulare und interaktive Elemente wie Buttons.
- Testen mit assistiven Technologien: Prüfe deine Website regelmäßig mit Screenreadern, um sicherzustellen, dass alle Inhalte korrekt vorgelesen und bedient werden können. Für Chrome gibt es zum Beispiel Browser-Extensions, die Website-Inhalte für die Nutzer vorlesen.
5. Nachhaltige Prüfung und Optimierung
Barrierefreiheit ist kein einmaliges Projekt, sondern ein fortlaufender Prozess:
- Regelmäßige Barrierefreiheit-Checks: Nutze Analye-Tools, um deine Website auf dem neuesten Stand zu halten. Überprüfe, ob neue Inhalte und Funktionen den Barrierefreiheitsstandards entsprechen.
- Feedback von Nutzern einholen: Binde Menschen mit Behinderungen aktiv in Tests ein. Ihre Erfahrungen liefern wertvolle Erkenntnisse zur weiteren Optimierung.
Praxis-Tipp
Assistenzsoftwares zur Umsetzung der Barrierefreiheit
Die Umsetzung von Barrierefreiheit auf Websites kann mit Assistenzsoftware und Analyse-Tools erheblich vereinfacht werden. Diese Werkzeuge helfen dir, Barrieren nicht nur zu identifizieren, sondern auch gezielt Lösungen anzubieten. Eines der Beispiele für Assistenzsoftware ist Eye-Able.
Assistenzsoftware können Websites in Echtzeit barrierefrei gestaltet und Nutzern individuelle Anpassungsmöglichkeiten bietet. Das Tool geht über eine reine Analyse hinaus und schafft direkt eine barrierefreie Nutzungserfahrung, ohne dass Änderungen am bestehenden Code erforderlich sind.
Funktionen von Assitenzsoftwares:
- Kontrast- und Farbanpassung: Erhöhen, umkehren oder farbschwächenfreundliche Filter anwenden, zum Beispiel der Rotschwäche-Modus.
- Schriftgrößen-Skalierung: Inhalte individuell vergrößern oder verkleinern.
- Text-to-Speech: Inhalte direkt vorlesen lassen, ideal für sehbehinderte Nutzer.
- Cursor-Vergrößerung: Sichtbarkeit des Mauszeigers erhöhen.
- Zeilenlesehilfe: Fokus auf einzelne Textzeilen legen, um das Lesen zu erleichtern.
- Fokus-Modus: Ablenkende Inhalte ausblenden und gezielt auf bestimmte Bereiche der Website fokussieren.
- Integration: Einbindung über einen Code-Schnipsel, ohne Änderungen am bestehenden Website-Code.
Assistenzsoftware – Praxisbeispiel:
Fazit
Disclaimer:
Dieser Blogbeitrag dient ausschließlich zur Information und allgemeinen Orientierung. Er stellt keine rechtliche Beratung dar und ersetzt nicht die individuelle Beratung durch einen qualifizierten Anwalt. Für verbindliche rechtliche Auskünfte zu den Anforderungen des Barrierefreiheitsstärkungsgesetzes (BFSG) solltest du einen Rechtsberater hinzuziehen.